Am Vormittag verliess ich Mouila und war gespannt wie sich Gabun für mich anfühlen würde. Es ist immer nur eine Seite in einem Ort zu sein und eine ganz andere in einem Land zu reisen. Erst Recht mit dem Fahrrad.
Die Strecke bis nach Fougamou war grösstenteils flach und einsam. Einige Schilder warnten vor den Waldelefanten. Die vom Aussterben bedrohten Tiere sollen in dieser Gegend noch zu finden sein. Leider (oder zum Glück) habe ich allerdings keinen gesehen.
Es lief erstaunlich gut auf der Strasse und ich kam gut voran. Als es nur noch etwa 20 Kilometer waren, war für mich klar, dass ich es bis nach Fougamou schaffen würde. Allerdings wurde ausgerechnet jetzt die Strasse hügeliger sodass ich mir kurz darauf doch nicht mehr so sicher war, ob ich es schaffen würde. Nach über 100 Kilometer kam ich aber dann ziemlich erschöpft in der Unterkunft an.
Es war ein erstaunlich schönes Zimmer mit Klimaanlage und zum ersten Mal seit Wochen eine Dusche mit fliessendem und warmem Wasser.
Es war klar, dass ich noch eine Nacht mehr hier bleiben würde. Die letzten Tage, waren hart an meiner Ausrüstung aber auch an meinem Körper.
Ich relaxte den ganzen Tag. Lief nur kurz durchs Dorf und wieder zurück. Ebenfalls regnete es den ganzen Tag. Somit war ich froh Drinnen sein zu können.

Dann fuhr ich aber doch weiter und schaffte erneut 90 Kilometer in hügeliger Landschaft. Kurz vor Lambaréné fand ich noch ein kleines Dorf mit einer einsamen Kirche. Einfach zugänglich mit dem Velo und ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen.
Ich legte mich kurz hin, machte meine Rückenübungen (Ich = alte Frau = eigentlich zu alt für diesen Scheiss) und hätte gerade Einschlafen können. Oft könnte ich vor lauter körperlicher Erschöpfung sogar während dem Fahrradfahrens einschlafen.
Es dauerte nicht lange und Drei Typen kamen auf mich zu. Ich setzte mich auf und begrüsste sie. Der ältere Herr stank nach Alkohol und stellte sich als "stellvertretender Chef vom Dorf" vor. In seiner Plastiktasse zeigte er mir stolz seinen "local" - einen selbstgebrannten Wein, der mir in Zentralafrika nun schon öfter angeboten wurde. Er wird aus Palmblättern hergestellt. (Bois du mer).
Erst verlief das Gespräch normal und ich erklärte was ich mache und da er der stellvertretende Chef de Village war fragte ich auch nach der Genehmigung hier zu sein. Schliesslich bin ich in "ihrem Revier" und wenn es einen Vorteil hatte in einem kleinen Dorf aufzuwachsen ist es wohl, das kleine Dörfer überall auf der Welt gleich funktionieren.
Finde heraus wer was zu sagen hat - Stell Dich vor - Frage um Erlaubnis - Lass Dir nichts zu Schulden kommen.
Er sagte es sei in Ordnung, dass ich mich hier ausruhe. Wir unterhielten uns weiter und ich teilte mein Essen mit ihnen.
Dann wollten die Drei aber nicht gehen (obwohl das Gespräch zu Ende war) dann plötzlich schnappte der Alte meine Hand und zeigte auf meinen "fake -Ehering" und dann ging das los mit; "aber wo ist denn Dein Mann?" und "warum bist Du alleine unterwegs?" "wie alt bist Du?" ICH KANN ES NICHT MEHR HÖREN!!! Ebenfalls war ich erschrocken darüber, wie der Typ einfach meine Hand ergriffen hatte. Ich bin was Berührungen angeht nicht empfindlich aber die Art wie er das getan hat, warehr wohl eine Grenzüberschreitung.
Ich entgegnete, dass ich das sehr wohl alleine machen könne, wie er vielleicht sehen könne und was mein Alter den eigentlich damit zu tun hätte? Ich habe ihm mein Alter nicht genannt weil die Frage sowieso nur darauf hinauslief dass wieder einmal fremde Männer über meine 34- jährige Gebärmutter urteilen.
Ich hatte sowas von die Schnauze voll. Legte mich hin, ignorierte die Jungs und stellte mich Schlafend.
Es war aber furchtbar unangenehm da ich ihre Blicke auf mir spürte.
Dann roch ich plötzlich eine Alkoholfahne über mir. Der Alte war über mir - also nicht so richtig. Er hat mich nicht berührt oder so aber starrte mich einfach von oben herab an. Ich hätte Kotzen können.
So, nun war aber genug. Ich wurde genug angeschaut wie ein Affe im Zoo. Ich wurde genug mit Blicken ausgezogen und ich wurde genug übergriffig behandelt (sogar für Afrika Verhältnisse).
Auch wenn noch völlig kaputt und absolut nicht Ausgeruht setzte ich mich wieder auf Arby, ignorierte die Schmerzen verabschiedete mich und erklärte, dass ich mir wohl einen ruhigeren Platz suchen müsste.
Aus Angst beim nächsten Ort wieder das gleiche zu erleben, tat ich das aber natürlich nicht sondern strampelte gleich bis nach Lambaréné.
Kurz zuvor wurde ich noch von einer Polizeistrassensperre angehalten. Hatte Heute bereits mehrere davon passiert und alle haben mich durchgewunken. Das Problem dabei ist, man weiss nie ob sie einem durchlassen oder anhalten.
Wenns blöd läuft, wird man in eine lange Diskussion verwickelt und/oder sogar nach Geld gefragt.
Der Typ wollte kein Geld aber meine Telefonnummer und vor allem seine Macht demonstrieren.
Ach stimmt ja, ich soll einem Polizist der mich mit "Oh Cherie" begrüsst also Respekt haben?!?
Woah wie fucking herablassend kann man eigentlich sein?
Ebenfalls wurde ich Heute Fünf Mal von agressiven Hunden angegriffen. Alle möglichen Tiere werden gejagt und hängen dann tagelang an einem Haken am Strassenrand.
Meine Gedanken dazu könnt ihr nun selbst zu Ende führen.
Zudem ist mir heute ein Typ nachgerannt. Ich bin durch ein Dorf gefahren. Sah einige Menschen die rumstanden und mich einfach nur angafften. Nichts Besonderes. Alles wie immer. Ich, reagierte wie ich in solchen Situationen immer reagiere. Winke und Grüsse freundlich "Bonjour Cava?" damit sie auch gleich wissen, dass ich Französisch spreche. Normalerweise wird dann freundlich zurückgewunken und gegrüsst und dann auch dem eigenen Leben nachgegangen. Manchmal kommt ein "Cherie" hinterhergerufen. Auch diesmal war das so. Ich fuhr weiter spürte aber dass mir jemand folgt. Ich schaute nach hinten und sah einen Typ nachrennen. "Scheisse was will der?" Er könnte mich ohne Probleme vom Rad reissen und ausrauben. Ich zog meine Sonnenbrille aus und warf ihm einen ernsten Blick zu, packte mein Taschenmesser und ballte die Faust.
"Je t'aime" war seine Antwort, warf mir einen Luftkuss zu und blieb dann stehen. WTF?
Ja, objektiv betrachtet und im Nachgang, klingt das einfach nur lustig. Aber wenn man schutzlos auf einem Fahrrad sitzt, sind solche Situationen einfach nur beängstigend.
Völlig erschöpft fand ich eine Unterkunft in Lambaréné.
Ich weiss nicht was das Schlimmste am heutigen Tag war, der betrunkene Dorf Chief der sicherlich keiner war, die kläffenden agressiven Hunde, der "Je t'aime Typ der mir nachlief, oder der "Cherie-Polizist" dem ich nicht genügend Respekt zollte.
Es war wohl die Summe der alltägliche Situationen die mir Heute passierten. Auch wenn vielleicht nichts wirklich "gefährliches" dabei war, ist es halt doch sehr anstrengend und wenn dann gleich einige solche Ereignisse am gleichen Tag passieren zerrt es schon sehr.
Ebenfalls zerstört es das Vertrauen. Ein Arsch welches einem nachrennt und es braucht 10 gute Typen die einem einfach nur nett Hallo sagen.
Ich betone ja immer, dass es gar nicht so schwierig ist als Frau alleine durch Afrika zu reisen. Oft komme ich sogar zu gewissen Vorzügen gegenüber von einem vielleicht gleichaltrigen Typen der die gleiche Reise machen.
Die Menschen wollen mich beschützen und Helfen. Ich bekomme oft Schutz angeboten ohne auch nur danach zu fragen.
Und die, die einem etwas Schlechtes wollen, sind oft einfach nur vom Bild einer emanzipierten, weissen, alleinreisenden Frau auf einem Fahrrad überfordert und können erst gar nicht reagieren. Die glotzen einem nur ungläubig nach und geben irgendwelche dumpfe Brunftrufe von sich.
Nur muss ich leider auch sagen, dass mir als Mann ganz viel Respektlosigkeit erspart bleiben würde. Es wären nicht 24/7 "Cherie" "Hey Baby" "Je t'aime" "Marry me" Rufe und Luftküsse die mir zugeworfen würden.
Kein andauerndes "tss tss" aus einem Busch heraus. (Oder sonstige stumpfsinnige Anlockgeräusche für Tiere).
Ich müsste nicht jedem Polizist meine Telefonnummer geben und ich würde zwar bestimmt auch angeschaut aber nicht mit Blicken ausgezogen. Ich müsste mich auch nicht immer und immer wieder erklären, dass ich nun doch schon über 18 Jahre alt bin und noch keine 5 Kinder habe. Ebenfalls. Habe ich die muskulöseren Beine als so mancher Mann. Aber mir bleibt es verwehrt kurze Hosen zu tragen? Jaja, ich weiss dies treibt nun wieder eine riesige Diskussion an von wegen Respekt anderer Religionen. Dazu möchte ich sagen, dass ich mich in muslimischen Ländern natürlich anpasse und so gut es geht die Kleiderregeln einhalte. Einfach um mir mein Leben ein bisschen einfacher zu machen. Hier, in Gabun allerdings ist 80% christlich. Einfach mit einem ebensolchen Frauenbild. Damit meine ich nicht das Christentum sondern die Kirche die aus unerklärlichen Gründen seit Jahren die Macht hat, gewisse Regeln aufzustellen.
Es ist im höchsten Masse respektlos einen fremden Menschen mit irgendwelchen Kosenamen oder Zischlauten anzusprechen. Es ist hochgradig rassistisch und frauenfeindlich was mir hier widerfährt. Einfach weil ich eine Frau bin und einfach weil ich "offensichtlich anders" - weiss bin.
Ja, ich setzte mich dem freiwillig aus. Mehr zu meinen Gründen dazu unten. Aber das ich ganz oft nicht gut behandelt werde und nicht respektiert werde, muss einfach auch einmal gesagt sein.
Die Landessprache der Länder spreche ich fliessend, somit sollte es an einer normalen Kommunikation also nicht scheitern.
Es ist nie gut (irgend)eine Gruppe zu unterdrücken und macht auch absolut keinen Sinn. Und falls wir uns doch zusammentun sollten um gegen irgendetwas zu kämpfen, können wir uns bitte auf Zahnpasta mit Kräutergeschmack einigen?
Warum nicht einfach: "Bonjour ca va?" Warum nicht zum Teufel???
Trotzdem versuche ich Positiv zu bleiben. Ich will nicht in meine Tanzania-Laune zurückfallen. Dort schrie ich die Menschen irgendwann einfach nur noch an. War hart. Isoliert und ehrlich gesagt war es einfach nur eine Flucht von einem Hotelzimmer zum nächsten. Eine Flucht von "Hey Baby" " Marry me" Kinder die mir Steine nachwarfen und Polizisten mit Schlagstöcken die diese auch gegen mich anwendeten.
Wenn man ein negatives Erlebnis nach dem nächsten erlebt, wird man so.
Es ist aber nicht fair, weil man dann auch zu "den Guten" unfreundlich ist.
Ich lasse mir diese Reise nicht zu einer Flucht von einem Hotelzimmer zum nächsten machen. Ich gehe raus. Zeige mich.
Und bin verdammt nochmal wie eine Frau. Kommt klar damit!
Ich bin überzeugt um meine Reise weiterhin geniessen zu können muss ich meine vermeindliche Schwäche zu meiner Stärke zu machen.
Ich reagiere wie eine Frau. Ich schreie die Menschen nicht an. Falls es nötig wird wehre ich mich mit allem was ich habe, das ist klar aber ich versuche anders zu reagieren. Ich versuche es weiterhin mit Freundlichkeit. Einem Lächeln.
Frauen denken und handeln anders als Männer. Ich kann das - denke ich - ziemlich gut beurteilen weil ich immer das einzige Mädchen und die einzige Frau unter vielen Männern war.
Es ist nur so, dass wir Frauen uns versuchen zu verhalten wie die Männer und sie somit kopieren.
Es ist ein gesellschaftliches Problem welches uns Frauen auf allen Ebenen immer wieder begegnet.
Und wir müssen uns endlich davon befreien und aufhören uns stetig selber unter die Männer zu stellen. Zu Glauben was uns (auch von vielen Frauen) über Generationen eingetrichtert wird. Das wir schwach sind. Das wir nur mit einem starken Mann durchs Leben kommen. Das nur Männer erfolgreich sein können. Das wir Männer kopieren müssen um akzeptiert und respektiert zu werden.
Es braucht beide Geschlechter und beide haben ihre Vorzüge. Und hiermit möchte ich noch klarstellen, dass ich Männer liebe. Die meisten von ihnen sind absolut fantastische Wesen, die Frauen sehr respektieren und die Welt zu einem tollen Ort machen.
Wir Frauen müssen nun aber damit beginnen unsere Stärken ebenfalls zu nutzen. Uns erlauben anders zu Denken und anders zu Handeln. Anders ist nicht Schlechter oder Schwächer.
Es gibt nur sehr wenige Frauen Vorbilder die es vorleben. Man kann die Situation leider in viele Lebenslagen übertragen. Zum Beispiel begegne ich in der Geschäftswelt oft weiblichen Führungspersonen die versuchen gleich gut wie ihre männlichen Kollegen zu sein. Sie kopieren auch den Führungsstil der männlichen Kollegen. Müssen dabei aber immer noch einen Schritt weiter gehen. Die "Extra-Meile"gehen. Schliesslich müssen sie immer noch um ein X-faches besser sein um als Führungsposition respektiert zu werden. Gänzlich ohne diese Frauen zu belächelt und verurteilt zu werden ist dies aber auch nicht möglich.
Oft werden sie dann als karrieregeile, kalte unzufriedene Emanzen abgestempelt.
Kein Wunder - schliesslich gibt es fast keine weiblichen Vorbilder die eben wie eine Frau Führen.
Welches mindestens genauso gut und erfolgreich sein kann - nur eben anders.
Das Geheimnis ist auszubrechen und auch wenn es schwer ist ein Vorbild zu sein. Es allen nachfolgenden Frauen leichter zu machen. Egal ob in einem Geschäft, in der Familie, in der Politik oder als irgend einen Paradiesvogel mit dem Velo durch Afrika fahrend.
Ich kann kämpfen wie ein Mann wenn's sein muss aber ich bin besser wenn ich kämpfe wie eine Löwin. Und ich will ein Vorbild sein für viele Frauen nach mir. Und somit werde ich weiterhin freundlich sein und Lächeln aber mich auch auf mein Bauchgefühl und Menschenkenntnisse verlassen. Mich nicht provozieren lassen (so gut es geht ;)) damit Dinge wie alleine als Frau durch Afrika zu fahren vielleicht irgendeinmal ein bisschen mehr akzeptiert wird. Dazu wird es Generationen brauchen. Wenn aber niemand damit anfängt, wird es auch nie passieren. Ich bin stark genug dies auszuhalten. Und falls nicht wenigstens darüber zu Lachen.
Amen, das wärs gewesen mit meinem heutigen Emanzen Ausbruch;)
Lambaréné ist bekannt für das Jungle-Spital welches Albert Schweitzer in den Dreissiger Jahren hier aufgebaut hat.
Er hat viele Einheimische (vor allem von Lepra betroffenen) betreut und geholfen.
Das Spital ist immer noch hier. Auch wenn das Original nun zur Wohnfläche dient. Das neue Spital (1981 eröffnet) liegt aber nur etwa 200 Meter weiter entfernt.
Es ist ein spezieller Ort und man ist immer noch sehr stolz, was Albert Schweitzer hier errichtet und vollbracht hatte.
Sein ehemaliges Haus dient heute einem sehr gut erhaltenen Museum.
Ich hatte sogar die Ehre im ehemaligen Zimmer seiner Tochter zu nächtigen.

Am Ende verbrachte ich einige Tage in Lambaréné. Ich spürte ich musste einige Tage ruhen. Meinen Körper und meine Gedanken wieder etwas zu Kräften kommen lassen. Ausserdem habe ich mich mit den Visa Daten wieder etwas verschätzt und gedacht, ich würde viel länger brauchen um Gabun zu durchfahren. Somit werde ich wohl nach Libreville fahren und dort auch noch ein wenig verweilen.
Etwas was mich un den letzten Tagen ahe motiviert hat, ist das Team Livingstone, welche unzählige Binden genäht hat und diese in mehreren Einrichtungen für hilfsbedürftige Frauen verteilten.
Ich bin unglaublich stolz darauf was sie gemacht haben und dass das Projekt weitergeht.
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