
Wie es ist, allein als Frau durch Afrika zu radeln
Ein ganz normaler Tag zwischen Mut, Angst und Widerstand
Dröhnende Motoren und gestohlene Ruhe
Wieder höre ich einen dröhnenden Motor hinter mir. Er wird langsamer, kommt näher.
"Fight Mode." Ich schaue nicht zurück, zeige keine Angst. Meine Sonnenbrille schützt meinen Blick. Die Musik in meinen Ohren ist laut, gibt mir Kraft und das Gefühl nicht alleine zu sein. Auch wenn es nur die beruhigende Stimme von Peter Reber ist.
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Mein Tag zwischen Mut, Angst und Widerstand
Das Motorrad fährt neben mich. Drei Typen, die mich angaffen. "Hey Baby, I love you" Sie bleiben eine Minute, dann lachen sie laut und brausen weiter.
Es ist nicht das erste Mal heute. Auch nicht das zweite. Es passiert immer wieder. Drei Männer auf einem Motorrad, die mich überholen, "Hey Baby, I love you" rufen, langsam neben mir herfahren und sich dann wieder zurückfallen lassen. Wieder und wieder.
Ich bin machtlos. Ignorieren bringt nichts. Freundlich winken? Einladend. Und Einladungen sind brandgefährlich hier.
Die Wut, die bleibt
Ich habe keine Kraft mehr für Verständnis. Ich zähle die Erlebnisse dieser Art nicht mehr. Allein Heute waren es Dutzende.
Ich weiß nicht, ob sie mich bestehlen oder vergewaltigen wollen. Nur, dass sie mir zu nahe kommen. Ich bin allein. Filmen kann ich die wirklichen Grenzüberschreitungen kaum, sie wissen genau, wann ich aufnehme.
Ich sehe eine Tankstelle. Endlich ein Ort mit anderen Menschen. Sicherheit. Ich biege ab. Die Männer sind vorerst weg. Ich zittere vor Wut.
Ich wünschte, ich könnte zurückschlagen. Gewaltfantasien, wie ich sie nie kannte, durchfluten mich. Ich will sie verletzen. Ich will, dass es aufhört.
Das ist mein "Fight Mood". Mein Überlebensmodus.
Doch noch während ich durchatme, biegen sie auf das Tankstellengelände. Tun so, als würden sie jemanden suchen.
Angriff ist die beste Verteidigung
Ich greife zur Kamera. Adrenalin schießt hoch. Ich gehe auf sie zu, konfrontiere sie.
"Warum sagst du, dass du mich liebst? Ich kenne dich nicht."
Gelächter. Einer zeigt mir den Mittelfinger. Ich bleibe hartnäckig.
"Wenn dir mein Fahrrad gefällt, dann sag das. Warum dieser Spruch?"
Keine Antwort. Nur mehr Gelächter. Ich fahre davon. Wütend, voller Angst, dass sie mir folgen.
Zwei ältere Männer an der Tankstelle stellen sich schützend auf meine Seite. Wenigstens das.
Ich bereue jede Begegnung, in der ich keinen Mut hatte, aufzustehen. Aber heute? Heute stand ich auf.
"Reagiere ich, verlieren sie ihren Respekt. Reagiere ich nicht, verliere ich meinen"
Die Wut lässt mich weiterfahren. Ich bin erschöpft, aber innerlich aufgeladen.
Viele kritisieren, wie ich mit den Männern spreche. Aber niemand sieht die endlosen Male, in denen ich geschwiegen habe. Geschluckt. Gegrüßt. Gehofft.
Niemand sieht, wie oft ich versuche, jedem Mann neu zu begegnen und das Gute in ihm zu sehen. Wie erniedrigend es ist, wenn mein Blick automatisch auf einen Rufen folgt. Wie unterwürfig ich mich dabei fühle. Wie es sich anfühlt, wenn ich nach einem "Hey Baby" das Pedal kurz ruhen lasse.
Ich kann nicht gewinnen. Reagiere ich, verlieren sie ihren Respekt. Reagiere ich nicht, verliere ich meinen.
"Tu doch nicht so…"
"Es ist halt ihre Art, Frauen anzusprechen."
"War doch lustig."
"Es war ja nicht gefährlich."
"Stell dich nicht so an."
Nein. Es war gefährlich. Schon die Nähe ihrer Motorräder bringt mich in Unfallgefahr. Aber schlimmer: Ich weiß nie, was wirklich passiert. Ein Spruch? Oder Gewalt?
Wer spricht über die psychische Gewalt, die davon ausgeht?
Ich habe Glück gehabt. Noch nie ist etwas Schlimmes passiert. Einzig und allein weil ich nie unterwürfig war.
Ein Kampf, den ich nicht gewinnen kann. Aber ich kann ihn wenigstens führen.
Und dann...
Ich halte an. Trinkpause. Endlich. Dies Strasse ist leer.
Dann…ein einzelnes Motorrad. Wieder nähert sich jemand. Parkt direkt neben mir. Starrt mich an. Ich erkläre ruhig, dass ich allein sein will.
Er hätte überall anhalten können. Die Strasse war leer. Er tut es aber genau neben mir.
Ich ihm, dass ich alleine sein will. Er akzeptiert das nicht und bleibt hartnäckig, über Minuten, neben mir und starrt mich an.
Ich fahre zehn Meter weiter. Er fährt in die Gegenrichtung davon.
Er war nicht zufällig dort. Er hat mich verfolgt.
"der Wert einer Frau in Afrika"
Am Ende des Tages hupt ein Minibus. Ein Mann hängt aus dem Fenster.
"Ich will dich kaufen."
Ich bin leer. Wütend. Aber ich weiß auch: Es war nicht immer so. Ich bin anders gestartet. Fröhlich. Offen.
Afrikanische Männer haben mich zu dieser Frau gemacht. Zu jemandem, der sich im "Fight Mood" durchschlagen muss. Und ja, ich kann ihn auch wieder ablegen. Sobald der Respekt da ist. Sobald ich mich sicher fühle.
Ich habe gelernt, auf mein Bauchgefühl zu hören. Und das hat mich nie getäuscht. Aber hier schreit mein Bauchgefühl; FIGHT!!!
"Es ist wie es ist und nicht wie man es gerne hätte" Schweigen werde ich darüber nicht.
Es gibt kein richtiges Verhalten, um mit diesen Situationen umzugehen. Freundlichkeit wird als Einladung gelesen. Ignorieren zermürbt meine Psyche. Konfrontation birgt Eskalation.
Ich versuche ehrlich zu zeigen, wie es ist. Nicht wie man es gern hätte. Denn wie soll ich Afrika in gutem Licht zeigen, wenn ich fast täglich das Gegenteil erlebe?
Ja, ich bin privilegiert, dass ich diese Reise machen kann. Ja, ich habe sie freiwillig gewählt. Aber ich wähle auch, die Wahrheit zu zeigen.
Mein Tipp
Ich wünschte, ich könnte allen Frauen zurufen: "Mach das!" Aber das wäre nicht ehrlich.
Eine Reise wie diese verlangt viel. Und die körperliche Anstrengung ist dabei das geringste Problem.
Wenn du mit dem Gedanken spielst, so eine Tour zu machen, frag dich zuerst: Bin ich mental wirklich stabil?
Was du brauchst, ist eine besondere Mischung: die Fähigkeit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst. Und gleichzeitig genug innere Kraft, um für dich selbst einzustehen. Immer wieder. Jeden Tag.
Und vielleicht das Wichtigste: Hattest du bisher ein gutes Verhältnis zu Männern? Denn ohne ein gewisses Grundvertrauen, ohne echte Hoffnung auf das Gute im Gegenüber, verliert man irgendwann die Fähigkeit zu vergeben – und damit auch die Fähigkeit zu lieben.
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Ich werde IMMER für meinen Stolz als Frau kämpfen. Ich werde IMMER unangenehm sein, wenn es sein muss.
Denn tief in mir lebt die kleine, freche Katze. Die nicht weiß, was sie tut. Aber mit erhobenem Kopf für ihren Platz in dieser Welt kämpft.