Ghana 🇬🇭- Crash im Stadtverkehr
- Sandra
- 7. Juni
- 10 Min. Lesezeit
Hier in Accra muss ich mein Cote d'Ivoire Visa beantragen. Im Vorfeld habe ich gelesen, dass wohl auch dieses Visa nicht ganz einfach mehr ist. Natürlich auch erst seit ein paar Wochen. Es scheint, als sei ich wohl eine der letzten Reisenden, die diese Reise von Süden nach Norden machen kann - und das ja leider auch nicht komplett. Wieso die Visa so viel einfacher sind, wenn man von Norden nach Süden fährt, weiss niemand, aber es ist nun einmal so.
Anscheinend muss man nun eine "Non-Residence-Card" für Ghana kaufen (USD 120.00) um sich überhaupt auf ein Cote d'Ivoire Visa zu bewerben. Dies ist selbstverständlich einfach wieder ein neuer Weg, um irgendwie Geld von den Touristen einzutreiben.
Als ich mich aber auf der verdächtig seriösen und modernen Botschaft vorstellte, erwähnte jedoch niemand was von dieser "Non-Residence-Card". Ich hatte all meine Dokumente bereit und als einziges musste ich noch meine Hotelbuchung auf Französisch übersetzen. Dies war innerhalb weniger Minuten, dank Google Lens gemacht und nochmals im Copie Shop um die Ecke ausgedruckt.
Später fand ich heraus, dass diese gewünschte Übersetzung wohl nur ein Vorwand war, um Zeit zu gewinnen, denn zurück bei der Botschaft, entschuldigte sich der Mitarbeiter, dass sie im Moment leider kein Netzwerk hätten und ich solle Morgen wieder kommen. Das Visa würde dann 72h dauern die Zeit würde aber ab heute zählen.
Am nächsten Tag ging ich also nochmals auf die Botschaft. Warum genau, wusste ich eigentlich nicht, denn all meine Papiere waren schließlich schon dort.
Es stellte sich heraus, dass ich meine Fingerabdrücke abgeben musste, und ebenfalls wurde ein Foto von mir gemacht. Ich bin echt erstaunt über die fortschrittliche Einrichtung der Botschaft. Die Mitarbeiter sind alle sehr nett und zuvorkommend.
Accra ist eine erstaunlich saubere Stadt und seit Luanda mit Abstand die modernste in der ich mich befinde. Somit genieße ich gutes Essen, guter Kaffee und konnte Arby einen Rundumservice gönnen. Nun ist eine neue Kette, eine neue Kassette und neue Brems und Schaltkabel montiert. Ebenfalls sind die durchgedrehten Schrauben der Schaltung ausgetauscht, dass ich sie beim nächsten Mal wieder (einfacher) lösen kann.
In den letzten Tagen habe ich nochmals meinen Reisepass durchgeblättert und musste mir eingestehen, dass die Seiten auf keinen Fall für meine verbleibenden Länder bis nach Marokko reichen würden. Ich muss also einen neuen Reisepass beantragen.
Ich fürchtete mich immer vor diesem Schritt, weil ich nur wilde Geschichten darüber gehört habe mit zwei Reisepässen zu reisen. Aber ich weiss auch, dass Ghana/Elfenbeinküste wohl die sinnvollsten Länder für mich sind einen neuen Pass zu beantragen.
Ich rief also die Schweizer Botschaft in Accra an und hatte einen sehr hilfsbereiten Botschafter am Apparat. Ich müsse mich ganz normal online anmelden und vermerken, dass ich meine biometrischen Daten in Accra abgeben will.
Dann würden die Berner Behörden die Botschaft in Accra informieren und ich würde am Freitag vorbeikommen können, um meine biometrischen Daten abzugeben.
Genau so habe ich es auch gemacht und genau so hat es auch geklappt.
Am Freitag traf ich also den netten Herrn des Telefonats und er war unglaublich sympathisch und nett. Er offerierte mir sogar ein «Wernli-Güezi», welche seine Mutter ihm vor wenigen Tagen zugeschickt hätte.
Wie bei einer ganz normalen Passerneuerung in der Schweiz wurden dann die Fingerabdrücke genommen und ein Foto gemacht. Nun schickt die Botschaft von Accra diese Informationen in die Schweiz und es ist sogar möglich den neuen Pass nach Abidjan zu schicken, dass ich nicht 4 Wochen in Accra warten muss.
Wow, es ist schon schön, nach langer Zeit einfach wieder Mal eine Behörde anzutreffen die mich wie ein Mensch behandelt und wo was gesagt wird auch klappt.
Ein großes Dankeschön an den netten Botschafter in Accra und die Berner Behörden.
Nach dem Botschaftsbesuch wollte ich Accra nun aber endlich verlassen. Accra ist eine verhältnismäßig schöne Stadt aber halt eben auch nur eine Stadt. Ich habe einige gute Mahlzeiten und Kaffees genossen, aber jetzt wird es Zeit weiterzuziehen.
Ich fuhr also aus der Stadt raus und naja, ich war und bin kein Fan von Stadtfahrten mit dem Fahrrad. Es ist hektisch, chaotisch und auf einem Fahrrad hast Du absolut keine Rechte.
So kam es, dass das Unvermeidbare dann auch passierte.
Ich wurde angefahren. Gerade als ich eine Bahnlinie überqueren wollte, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Mein erster Gedanke war, dass sich meine Räder irgendwie in den Bahngeleisen verfangen haben. Es gab ein Geschrei im Hintergrund und als ich mich umdrehte, sah ich das Desaster… Ich wurde von einem Auto angefahren. Das Auto war komplett auf meinem Anhänger aufgebockt. Einige Männer eilten herbei und befreiten meinen Anhänger. Erst dachte ich es sei nichts passiert, dass Auto sah, weitaus schlimmer aus, die Motorhaube ist verbeult und eingestaucht. Der Fahrer nickte mir nur zu und fuhr kommentarlos weiter. So läuft das hier in Afrika. Kein Sorry, keine Versicherung, keine Polizei. Nur ein kurzer Check, ob alle noch am Leben sind und das auch nur, wenn der Unfallverursacher einen Funken Anstand hat und dann weiterfahren.
Als ich dann losfuhr, musste ich feststellen, dass es doch eine 8 in ein Rad des Anhängers gegeben hat. Ist ja auch kein Wunder, schließlich hatte dieses gerade eine gute Tonne aufgebockt. Ich konnte aber auch so noch weiterfahren und eine 8 im Rad, ist wohl das kleinste Problem hier in Afrika. Per Zufall fand ich ca. 5 Minuten später am Straßenrand einen Fahrradmechaniker der mir für 20 Cedis (CHF 1.30) das Rad wieder richtete. So waren nun Alles wieder wie vor dem Unfall.
Der Rest des Nachmittags war eine typische Fahrt aus der Stadt. Aber zum Glück wurde die Straße etwas ruhiger je weiter ich rauskam. Mein Ziel war Kokrobite. Kokrobite ist ein ziemlich touristischer Surf-Ort am Strand. Gerade als ich auf der Suche nach einer Unterkunft war, fragte mich ein Typ auf einem Motorrad, ob ich zum Strand will. Und ich fragte ihn nach einer Camping-Möglichkeit. Ich konnte es nicht glauben, als er mich zu einem Unterstand direkt am Strand führte. Für 50 Cedis (CHF 3.00) durfte ich dort campen. Zwischenzeitlich war er sich aber plötzlich nicht mehr ganz sicher, weil er realisierte, dass ich alleine bin und nur mit einem Zelt unterwegs.
Ich fühlte mich aber sehr sicher und genoss den Strand nur für mich alleine. Wieder so ein Ort, wo ich hoffe, dass der kommerzielle Tourismus nie hinkommt.
George (sein ghanaischem Namen Martey) brachte mir sogar eine Kokosnuss vorbei und zeigte mir wie man diese mit einer Machete öffnet. Das sieht einfacher aus als es ist. Später dann brachte er noch einen Sobolo (Hibiskus Drink) vorbei. Dann Räucherstäbchen gegen die Moskitos. Dann eine Lampe. Später machten sie ein Feuer am Strand. Dieser Typ ist so nett. Als ich angekommen bin, zeigte er mir, wo ich das Beste Jollof Reis kaufen konnte. Ich fühlte mich sehr sicher in der Nacht. Es war ruhig und nur sehr wenige Menschen kamen vorbei. Niemand sprach mich aber an.

Am Morgen kam George vorbei und brachte mir erneut eine Kokosnuss. Ich verließ diesen schönen Platz aber schon wieder, weil ich, um ehrlich zu sein einen Platz mit Strom und einer Dusche suchte. So fuhr ich nur etwa einen Kilometer weiter und fand so einen Platz.
Ich lernte Clo kennen. Clo lebt seit Vier Jahren in Ghana und ist eine außergewöhnlich angenehme Person, die ein großes Herz für Afrika hat und versteht, was die Menschen hier brauchen. Sie ließ fließend Wasser in Zwei Schulen installieren und unterstützt die Community in jeglichen Hinsichten. Sie lud mich ein bei ihr zu übernachten und wir beschlossen am nächsten Tag eine kleine Aufklärungsstunde für die Mädchen in der einen Schule zu machen.
Da meine nachhaltigen Stoffbinden noch nicht hier sind, bzw. in eine andere Schule in der Nähe geliefert wurden kauften wir 15 Packungen Einwegbinden für die 15 Mädchen, die wir in der Schule antreffen werden.
Bei der Schule bewundere ich die Handwasch und Trinkwasser-Stationen welche Clo installieren ließ. Gleich bei der Schule gibt es ein "Skill Center», wo die Frauen Kurse in Kochen, Nähen, Schmuckherstellung und Haare schneiden/flechten nehmen. Selbst wenn sie damit abgeschlossen haben, bleibt ihnen das Recht immer wieder in das Skill Center zurückzukehren und einer Beschäftigung nachzugehen und vor allem einen sicheren Platz zu haben.
Ich bin tief beeindruckt vom Engagement von Clo und auch den anderen Mitarbeitenden dort.
Wir treffen in eine Klasse, wo die 15 Mädchen sitzen. Sie sind ungefähr 10 Jahre alt. Ist dies zu jung? Nein, denn einige Mädchen bekommen schließlich ihre Periode bereits in diesem Alter und umso wichtiger ist es darüber zu informieren, was die Mädchen in einigen Jahren erwarten kann.
Clo und ich erklärten den Mädchen, was bei ihrer Periode passiert, was dabei mit unserem Körper passiert und wie wir damit umgehen können. Sie hörten uns interessiert zu und stellten Fragen. Zum Schluss übergaben wie die Binden an die Lehrerin und informierten die Mädchen, dass sobald sie eine Binde brauchen, jederzeit Zugang dazu haben.
Was für ein tolles Erlebnis und wieder einmal bin ich an die richtige Person gelangt. Ich habe die Zeit in Kokrobite so richtig genossen.

Ein wenig Wehmütig habe ich dann Kokrobite verlassen. Zurück auf die stark befahrene N1. Obwohl ich heute auch nur knapp 30 Kilometer fahren werde, kostete es viel Angstschweiß und Ausdauer über die schlechte Straße zu rattern. Über viele Kilometer besteht eine staubige Baustelle. Die "Straße" ist eine einzige ausgewaschene, pickelharte Rappelpiste. Ich bin voller Staub und muss mich konzentrieren. Naja, der krasseste single bike trail in Europa ist die beste Hauptstraße hier in Afrika.
Nun erreichte ich die Schule, wo ich die Stoffbinden aus der Schweiz habe schicken lassen, und bin froh die Staub-Straße wenigstens für ein paar hundert Meter zu verlassen. Der Verantwortliche der Schule, überreichte mir das Paket dann auch gleich und ich freute mich, dass es überhaupt angekommen ist und natürlich mit einigen Tafeln meiner Lieblings-Schoggi aus der Schweiz ausgestattet war.
Am Abend traf dann Rea ein und sie bot mir an bei ihr zu übernachten. Sie macht hier seit einigen Monaten Freiwilligenarbeit hier in Awutu Beraku unter anderem auch Aufklärungsarbeit für Mädchen. Wir werden zusammen im Hostel der Schule die Binden verteilen.
Am nächsten Tag trafen wir die ca. 12-jährigen Mädchen in ihrem Hostel an und diesmal waren es um die 35 Mädchen. Rea klärte sehr fundiert und ausführlich über den ganzen weiblichen Zyklus auf und im Anschluss verteilte ich 72 Stück, der wiederverwendbaren Stoffbinden.
Die Freude und Dankbarkeit der Mädchen in ihren Augen zu sehen, macht mich glücklich.
Ich schlief noch eine Nacht in Awutu Beraku und dann fuhr ich endlich wieder los. Das heißt; so halb. Ich werde noch einen weiteren Fahrradfahrer treffen. Wir sind seit einigen Wochen in Kontakt, er hat noch Guinea Franc übrig und will mir diese verkaufen. Ich bin immer froh, wenn ich schon ein paar Scheine in der jeweiligen Währung auf mir habe, wenn ich ein Land über eine kleine Grenze erreiche. Man weiss schliesslich nie, ob die Grenzstädte mit Western Union oder ATM's ausgestattet sind.
Ante, kommt aus Kroatien. Da wir uns beide unabhängig voneinander dazu entschieden haben ein Inland zu fahren, konnten wir ca. 20 Kilometer zusammenfahren, bis sich unsere Wege wieder teilten.
Unsere Reise könnte unterschiedlicher wohl nicht sein. Ich spüre, dass Ante seine Reise leider nicht wirklich genießt. Er verträgt das afrikanische Essen nicht und kocht darum meist selber. Afrika mit einer Radreise ans Nordkap zu vergleichen, macht in meinen Augen auch keinen Sinn. Nichts gegen das Nordkap, ich persönlich habe größten Respekt an alle Radfahrer, die diese Reise unter die Räder nehmen. Nur wäre das so ziemlich das letzte, was ich machen würde. Durch kalte, nasse wenn vielleicht auch asphaltierte Straßen fahren? Ständig frieren? Nope…
Afrika bietet andere Herausforderungen. Auch wenn es manchmal fast unerträglich heiß und feucht ist, auch wenn die Straßen einem Trampelpfad gleichen, es sind nicht diese Faktoren, die diesen Kontinent so herausfordernd machen.
Es sind die Menschen. Entweder man liebt es oder man hasst es. Ich hasse es, aber wenn ich es nicht erlebe, fehlt es mir. Haha es ist schwer zu erklären.
Meiner Meinung nach sollte jeder Reisende, der von Norden nach Süden fährt und Senegal (das "richtige Afrika") erreicht, sich klar darüber werden, dass er die ganze Scheiße so oder ähnlich erleben wird bis Südafrika. Ostküste inklusive.
Ich rate jedem, der sich in Senegal erschrickt, nach Hause zu gehen. Entweder wirst Du merken, dass Du dieses verrückte Chaos und die Menschen vermisst und nach Afrika zurückkehren, oder Du fährst ans Nordkap.
Ich genieße meine zweite Reise durch Afrika so viel mehr. Weil ich weiss, dass ich zu Hause selbst die anstrengendsten Situationen und aufeinandertreffen mit Menschen vermissen werde. Ich werde es vermissen, dass zwar alles lange dauert und nichts schnell geht aber dafür alles möglich ist. Ich werde es vermissen, dass die Menschen zwar anstrengend sein können aber einige Situationen einfach in keinem Drehbuch stehen können. Ich werde es vermissen von auf Motos aufgebunden Ziegen überholt zu werden. Ich werde die angepissten Blicke der Verkäuferin vermissen, die ich gerade aus ihrem Mittagsschlaf geweckt habe. Und noch so viele surreale Situationen mehr. Dies lässt mich viel lockerer auf meine jetzige Reise sehen und ich bin dankbar für diese Erfahrung.
Antes und meine Wege trennten sich also wieder und er fuhr nach Osten und ich nach Westen. Die Straße abseits der N1 in Ghana ist so viel ruhiger und friedlicher. Ich finde einige Dörfer vor und die Menschen sind nett.
Bald finde ich ein Guesthouse für die Nacht, wo ich unterkomme, und ich genieße die erste Zeit seit Langem, die ich für mich habe. Die Straße die nächsten Tage sind ein stetiges und steiles Auf und Ab. Seit dem Wechsel der Kette und der Kassette bei Arby springt die Kette leicht und ich kann nicht in den kleinsten Gang schalten. Never change a winning team. Ich hätte den Wechsel besser gelassen, auch wenn es anscheinend höchste Zeit für den Wechsel gewesen war.
Bei einer Pause schaffte ich es zumindest den Schaltzug etwas enger zu ziehen, dass von nun an der kleinsten Gang wieder funktionierte. Die Kette rutscht aber immer noch durch, vor allem bei starker Belastung. Ich vermute die Kette ist zu lang.
Die Straße ist in katastrophalem Zustand. Richtig tiefe Löcher, der Rand ausgefranst und meist unebene Naturstrasse. Die Gegend ist jedoch wunderschön und friedlich. Ich fahre durch Kakao- Plantagen und durch viele Kokospalmen.

Am Abend fand ich ein Guesthouse und selbst der Preis war eigentlich ganz Okay. Ich sah mir das Zimmer an und war begeistert. Ich sagte der Dame, dass ich dieses Zimmer gerne für eine Nacht beziehen würde, aber als ich dann Arby so langsam zum Eingang schob, untersagte mir die Dame den Eintritt für Arby. Ich müsse mein Bike Draußen lassen.
Auch wenn ein sicheres Gate um das Guesthouse war und ich keine Bedenken bezüglich der Sicherheit hatte, wollte ich Arby doch bei mir haben. Alleine schon, weil, ich dann immer alles bei mir habe und nicht noch Tausend Mal rausrennen muss, um irgendwas zu holen. Ich konnte ihr "Argument" nicht verstehen, da sie mir auch keines nennen konnte außer "it's not allowed". Von ihrer Art war ich angefressen und beschloss mich keinen Rappen in einem solchen Guesthouse zu lassen.
Nur ein paar Kilometer weiter fand ich dann ein weiteres Guesthouse, zum selben Preis und es war (wie sonst auch immer) kein Problem Arby mit ins Zimmer zu nehmen. Es gab sogar ein großes Badezimmer und ich konnte Arby wieder einmal in der Dusche reinigen. Durch die staubige Straße war schliesslich allerhand Staub und Sand ins Getriebe gelangt. Ebenfalls entfernte ich ein Glied der Kette, da ich vermute, dass dies das Durchrutschen der Kette verursacht.
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