Liberia 🇱🇷 - Wo das Wenige viel bedeutet
- Sandra
- vor 3 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Die 30 Kilometer Naturstraße bis zur Grenze waren fordernd, aber nicht so schlimm wie befürchtet. Steile Anstiege verlangten mir einiges ab, doch der Zustand der Piste überraschte: besser als erwartet. Arby’s Kette sprang zwar immer noch, und oft musste ich mühsam von Hand die Gänge wechseln. Ich kann mich kaum erinnern, wann meine Hände das letzte Mal nicht von schwarzem Öl und Schmiere überzogen waren.

Der Grenzübergang von Côte d'Ivoire nach Liberia? Ein kleines Wunder! Nach all den schwierigen Erfahrungen an Grenzen rechnete ich fest mit Diskussionen – immerhin reiste ich mit altem und neuem Schweizer Pass. Doch die Beamten beider Seiten waren entspannt. Natürlich wollten sie mich, wie so oft, heiraten, doch nach ein paar höflichen Scherzen ließen sie mich passieren. Keine fünf Minuten dauerte es pro Seite. Auch Geld tauschen und eine SIM-Karte besorgen lief reibungslos.

Ich rollte weiter, 20 Kilometer bis ins nächste Dorf, in der Hoffnung, endlich einen Mechaniker zu finden.
Wieder traf ich eine Gruppe Männer, die sich „Mechaniker“ nannten, aber noch nie ein Fahrrad wie meines gesehen hatten. Also war es erneut an mir, an Arby herumzuschrauben, während die Herren das Schaltkabel so verstellten, dass ich hinterher kaum mehr in die Gänge kam. Als Krönung wollte einer Geld – weil er sich „die Hände schmutzig gemacht“ hatte. Immerhin half mir ein anderer, das Getriebe mit einem Gartenschlauch, bedient von kichernden Kindern, grob zu reinigen. Doch Arby lief nicht besser.

Am nächsten Morgen kämpfte ich mich erneut über holprige Kilometer. Jeder Gangwechsel, jeder Tritt in die Pedale kostete Nerven – und literweise Schweiß. Schließlich erbarmte sich ein Autofahrer und nahm mich und Arby für viel Geld mit. So erreichten wir den nächsten Ort. Auch dort wollten Kinder an Arby herumschrauben, doch ich sah sofort: Sie hatten keine Ahnung. Ich packte Arby ins Taxi und fuhr nach Ganta – der erste Ort mit echtem Stadt-Charakter.

Dort traf ich einen hilfsbereiten Mann, der Arby vor dem Regen schützte. Und tatsächlich: Sie fanden eine neue Kette! Zwar lief sie nicht perfekt, aber deutlich besser. Vielleicht reicht das, bis Monrovia.

Doch die nächsten Sorgen ließen nicht auf sich warten: Die Reifen meines Anhängers waren so abgefahren, dass schon der Stoff durchschimmerte. Kein Wunder, sie hielten seit Beginn meiner Reise.

Die Straße war jetzt wie aus einem Traum: glatt, ohne Schlaglöcher, umgeben von üppigem Grün. Liberia gefiel mir. Die Menschen waren freundlich, das Land arm – wohl das ärmste, das ich je bereist habe – aber voller Würde. Die Hotels dagegen teuer und oft ohne Strom oder Wasser. Doch auch das ist Afrika.
In einem kleinen Dorf ließ mich ein Pastor vor seinem Haus campen. Der Regen prasselte sanft auf das Zelt, und ich schlief wie ein Stein. Am nächsten Tag gönnte ich mir eine Pause in Gbarnga. Dort fand ich dank eines netten Mannes tatsächlich zwei neue Reifen für den Anhänger – einfach, aber sie erfüllten ihren Zweck. Auch wenn ich beim Montieren gleich den Schlauch zerstach. Typisch! Die Jungs sahen mir fasziniert zu, wie ich den Reifen flickte. Hilfsbereit waren sie allemal.

Die kommenden Tage waren geprägt von Regen, und wenig Abwechslung beim Essen – viel Reis, viel Mais - und das auch nur in den grösseren Dörfern. Im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern ist das Essensangebot viel seltener an der Strasse vorzufinden. Doch Liberia hatte mich längst mit seinem rauen Charme gefangen genommen.

Die letzten Kilometer nach Monrovia, der Hauptstadt Liberias, ziehen sich. Ich bin nun seit über zwei Wochen ohne Ruhetag unterwegs – nicht etwa, weil ich unermüdlich wäre, sondern schlicht, weil es unterwegs keinen Ort gab, an dem ich freiwillig zwei Nächte verbringen wollte. Der Standard in Liberia ist, gelinde gesagt, herausfordernd. Und dennoch: Ich liebe dieses Land. Die Menschen, ihre Energie, ihre Herzlichkeit – all das macht vieles wett.
Der Verkehr in Monrovia überrascht mich. Ich hatte mit einer ruhigeren Stadt gerechnet, immerhin ist Monrovia im Vergleich zu anderen afrikanischen Hauptstädten relativ klein. Doch das Verkehrschaos spricht eine andere Sprache: laut, drängelnd, wild.
Umso grösser ist meine Erleichterung, als ich mein BnB erreiche – und es mich im besten Sinne überrascht. Es ist sauber, verfügt über eine Klimaanlage, eine kleine Küche und sogar ein Wohnzimmer, das ich mitbenutzen darf. Endlich ein Ort zum Durchatmen, Ausruhen und Ankommen.
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